Gesetzgebung

Was bedeutet der Brexit für das Vergaberecht?

Als Großbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union (EU) stimmte, war das Vergaberecht zunächst kein Thema. Dabei wird der Austritt aus der EU für britische Bieter wie EU-Auftraggeber nicht ohne Auswirkungen bleiben. Während die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien noch laufen, ist nur der sogenannte „Hard Brexit“, also der Austritt zum Ende des 29.03.2019 ohne eine geregelte Vereinbarung, ein klar umschreibbares Szenario. Welche Auswirkungen dieses Worst-Case-Szenario auf das Vergaberecht hätte, hat die Europäische Kommission nun erstmals in einer Kurzmitteilung beleuchtet.

Folgen für Verteidigungswirtschaft

Insbesondere auf Unternehmen der Verteidigungs- und Sicherheitsbranche mit Sitz in Großbritannien könnten einige Änderungen zukommen. Denn ab dem Stichtag ist Großbritannien ein Drittstaat.

Probleme könnten sich bei Sicherheitsbescheiden aus Großbritannien ergeben. Gemäß § 7 Abs. 7 S. 2 VSVgV erkennt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nur Bescheide aus anderen EU-Mitgliedstaaten an. Bei einem Hard Brexit könnten öffentliche Auftraggeber britische Angebote unter Verweis auf eine fehlende Umgangserlaubnis mit Verschlusssachen faktisch ausschließen. Angesichts der Tatsache, dass Großbritannien Mitglied der NATO ist und dies unabhängig von einem Brexit auch in Zukunft bleiben, dürfte hier wohl aber eine praxistaugliche Lösung gefunden werden.

Ansonsten sieht die VSVgV keine Möglichkeit vor, Angebote aus Großbritannien nach einem Hard Brexit anders zu behandeln. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2009/81/EG erlaubt den Mitgliedstaaten zwar eine Differenzierung zwischen EU- und Drittstaaten. Davon hat Deutschland allerdings keinen Gebrauch gemacht. Damit bleibt es bei dem Grundsatz, dass die europäischen Beschaffungsmärkte auch Wirtschaftsteilnehmern aus Drittstaaten offenstehen (vgl. OLG Düsseldorf, 31.05.2017, VII-Verg 36/16).

Ausschluss von EU-Beschaffungen

Kommt es zu keiner Vereinbarung, werden Unternehmen mit Sitz in Großbritannien von Aufträgen europäischer Institutionen komplett ausgeschlossen sein. Denn nach Art. 119 Abs. 1 der EU-Haushaltsordnung sind Unternehmen aus Drittstaaten bei Beschaffungen ausgeschlossen, soweit kein besonderes Abkommen (etwa das EWR-Abkommen) besteht.

Zwar beschafft die Europäische Union selbst keine Rüstungsgüter und auch sonst über die Europäische Verteidigungsagentur (EDA) aktuell nur in kleinem Umfang. Sollten sich aber die politischen Initiativen durchsetzen und eine europäisch koordinierte Beschaffung direkt auf Ebene der Europäischen Union etablieren, könnte dies einen kompletten Ausschluss der britischen Verteidigungsbranche von EU-Auftragsvergaben bedeuten.

Exit vom Brexit?

Von einem „Exit vom Brexit“ durch ein neues Referendum bis zu einem Hard Brexit ist jedes Szenario möglich. Aktuell verhandeln die Parteien und deren Unterhändler noch. Zuletzt hatte auch die europäische Seite angekündigt, sich auf einen Hard Brexit vorzubereiten. Die Kurzmitteilung der EU-Kommission kann vor diesem Hintergrund durchaus als Botschaft an die Adresse Großbritanniens verstanden werden, die Folgen eines Hard Brexit nicht zu unterschätzen.

Am Wahrscheinlichsten erscheint derzeit eine Übergangsphase, bevor die zukünftigen Beziehungen zwischen EU und Großbritannien in einem Vertrag final geklärt werden. In diesem Abkommen dürfte auch der Zugang der britischen Unternehmen zum europäischen Vergabemarkt niedergelegt sein.