Gesetzgebung

Koalitionsvertrag: Mehr VS-Aufträge – weniger Vergabeverfahren?

CDU, CSU und SPD haben sich am 07.02.2018 auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Vorbehaltlich der notwendigen Zustimmungen, die vor allem hinsichtlich der SPD-Mitglieder durchaus ungewiss ist, wird Deutschland bald wieder eine Regierung haben. Setzt die Koalition ihr neues Programm um, könnte sich für Vergaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich einiges ändern.

Neben dem üblichen Bekenntnis zu einer bestmöglichen Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung der Soldatinnen und Soldaten („Trendwenden Personal, Material und Finanzen“) heißt es im Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU:

„Ein transparentes, effektives und in seinen Prozessen optimiertes Rüstungswesen ist die Grundlage für die bestmögliche Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten. Wir werden darum die in der vergangenen Legislaturperiode begonnene Erneuerung, Modernisierung und Erweiterung der Bundeswehr fortführen und dabei für eine Beschleunigung der Prozesse, insbesondere des Beschaffungswesens, sorgen.“

Zum Erhalt nationaler Schlüsseltechnologien nimmt der Koalitionsvertrag ebenfalls Stellung:

„Um den Bedarf für Einsätze bzw. einsatzgleiche Verpflichtungen schneller decken zu können, werden wir Auslegungshilfen für den Verzicht auf den EU-weiten Teilnahmewettbewerb (§12 Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit) zur Verfügung stellen. Zum Erhalt nationaler Souveränität bei Schlüsseltechnologien werden wir bestehende vergaberechtliche Spielräume konsequenter nutzen, Auslegungshilfen zur Verfügung stellen und prüfen, inwieweit der Ausnahmetatbestand des Art. 346 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Beschaffungspraxis stärker herangezogen werden kann. Wir werden darüber hinaus notwendige gesetzliche Anpassungen vornehmen.“ (S. 159).

Nach Art. 346 Abs. 1 Nr. 1 b) AEUV darf jeder Mitgliedsstaat

„die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen“.

Dies schließt das Absehen von Vergabeverfahren ein. Der Hinweis auf Art. 346 AUEV darf demnach durchaus so verstanden werden, dass zwecks Stärkung und Erhalt von Schlüsseltechnologien künftig vermehrt VS-Aufträge ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren an nationale Unternehmen vergeben werden sollen.

In ihrem bereits am 08.07.2015 veröffentlichten Strategiepapier zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland hat die Bundesregierung ausgeführt, dass die Auftragsvergabe ein Instrument zur Förderung der Schlüsseltechnologien sei. In dem Papier, das erklärtermaßen regelmäßig überprüft werden soll, sind bislang insbesondere die Bereiche Führung (vor allem Kryptotechnologie), Aufklärung (vor allem Sensorik), Wirkung (vor allem Technologien in den Bereichen gepanzerte Plattformen sowie Unterwassereinheiten) und Unterstützung (vor allem Schutztechnologien) als Schlüsseltechnologien identifiziert. Dem Vernehmen nach gibt es nun Bestrebungen, erstmals auch die Überwassereinheiten in die Liste aufzunehmen.

Relativiert wurden die Aussagen hinsichtlich der Lieferung von VS-Gütern an Parteien des Jemen-Kriegs. Ursprünglich hieß es in dem Papier zu den Sondierungsgesprächen pauschal:

Die Bundesregierung wird ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese am Jemen-Krieg beteiligt sind.

Die Formel des Koalitionsvertrags lautet nunmehr:

„Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben. Wir wollen diese restriktive Exportpolitik mit Blick auf den Jemen auch mit unseren Partnern im Bereich der europäischen Gemeinschaftsprojekte verabreden.“

Damit könnte insbesondere der laufende Auftrag über den Bau von Küstenschutzbooten für Saudi-Arabien trotz Verschärfung der Exportbestimmungen noch abgewickelt werden.

Ungemacht droht deutschen Unternehmen aber an anderer Stelle: Das Exportkontrollrecht (KWKG bzw. AWG) soll noch 2018 spürbar verschärft werden. Nach dem Willen der designierten Koalitionäre sollen künftig keine Kleinwaffen mehr in Drittländer verkauft werden (S. 149).

Zudem soll bis Ende 2019 geklärt werden, wie die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr angepasst werden sollte (S. 159). Hierüber hatte die WirtschaftsWoche am 02.02.2018 berichtet.

Schließlich bekennen sich die Parteien zur Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im militärischen Bereich (PESCO) und zu den NATO-Investitionszielen Hierfür wollen sie in Zukunft freie Finanzmittel „prioritär“ für Verteidigungsausgaben nutzen (S. 145).

Wie genau die gesetzlichen Änderungen ausfallen, ist angesichts der vagen Andeutung („notwendige gesetzliche Anpassungen“) kaum vorhersehbar. Eine Personalie scheint dagegen bereits geklärt: Kommt es zur Neuauflage der Großen Koalition, soll Ursula von der Leyen dem Vernehmen nach Verteidigungsministerin bleiben.