Gesetzgebung

Krieg in der Ukraine – Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die in der Folge verhängten weltweiten Sanktionen gegen Russland führen zu erheblichen Preissteigerungen für sämtliche Produkte und Rohstoffe. Diese Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf die Ausführung öffentlicher Aufträge. Denn grundsätzlich tragen Auftragnehmer das Risiko von Preisschwankungen. Die derzeit stark volatilen Preise stellen für Unternehmer jedoch ein nur schwer kalkulierbares Risiko dar. Daher hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 24.06.2022 Hinweise zu dem Umgang mit den Preissteigerungen im Rahmen von Vergabeverfahren über Liefer- und Dienstleistungen veröffentlicht.

Folgende Maßnahmen können von den zuständigen Vergabestellen im Rahmen ihres Leistungsbestimmungsrechts eigenverantwortlich umgesetzt werden:

 

  • Preisanpassung bei Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB
    Bei Verträgen, die vor Kriegseintritt geschlossen wurden und mit diesem Inhalt so nicht zustande gekommen wären, können unter bestimmten Voraussetzungen die Preise zugunsten des Auftragnehmers angepasst werden. Die Preisanpassung ist je nach Einzelfall im Rahmen der Zumutbarkeit vorzunehmen. Eine Übernahme von mehr als der Hälfte der Mehrkosten durch den Auftraggeber wird jedenfalls regelmäßig unangemessen sein. Kann die Zumutbarkeit durch eine Preisanpassung nicht wiederhergestellt werden, so steht dem Auftragnehmer nach § 313 Abs. 3 BGB ein Rücktrittsrecht vom Vertrag bzw. ein Sonderkündigungsrecht zu.

 

  • Veränderung von Verträgen, § 58 BHO
    Bei bestehenden Verträgen kann eine Vertragsanpassung auch gemäß § 58 BHO erfolgen. Verträge zum Nachteil des Bundes und zu Gunsten des Auftragnehmers können dabei auch unterhalb der Schwelle einer Störung der Geschäftsgrundlage geändert werden. Ob ein solcher Nachteil des Bundes vorliegt, ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Rahmen einer Gesamtabwägung zu entscheiden. Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, so bedarf es ab einem Bundesnachteil i.H.v. 125.000 Euro der Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen.

 

  • Vereinbarung von Preisgleitklauseln
    Grundsätzlich ist von Preisvorbehalten nur zurückhaltend Gebrauch zu machen. Jedoch können Preisgleitklauseln dazu beitragen, den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine Rechnung zu tragen. Daher hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) am 25.03.2022 und am 06.04.2022 Erleichterungen für die Vereinbarung von Preisgleitklauseln für den Bundeshochbau und Bundesverkehrswegebau erlassen. Zudem prüft jede Vergabestelle eigenverantwortlich, inwieweit im konkreten Einzelfall die Vereinbarung einer Preisgleitklausel in Betracht kommt. Hierfür können die Kriegsereignisse als außergewöhnliches Ereignis gewertet werden.Auch in laufenden Vergabeverfahren, in denen noch kein Zuschlag erteilt wurde, können je nach Einzelfall noch Preisgleitklauseln einbezogen werden. Angebotsfristen sind hier ggf. zu verlängern.

 

  • Änderung wesentlicher Verträge
    Zudem erklärt das Bundesministerium, dass die Instrumente zur Preisanpassung bei der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und bei der Veränderung von Verträgen gemäß § 58 BHO grundsätzlich nicht zur wesentlichen Auftragsänderung i.S.d. § 132 GWB führen, so dass kein neues Vergabeverfahren erfolgen muss. Denn bei der Anpassung gehe es gerade darum das wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, so das Ministerium.Eine wesentliche Auftragsänderung gem. § 132 Abs. 1 S. 3 GWB liegt jedoch dann vor, wenn die Änderung die Zulassung anderer Bieter ermöglicht oder das Interesse weiterer Teilnehmer geweckt hätte.

    Liegt im Ergebnis eine wesentliche Auftragsänderung vor, so ist diese zulässig, soweit der öffentliche Auftraggeber die Änderung im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen konnte und im Folgenden der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 GWB). Jedoch ist zu beachten, dass der Preis nicht um mehr als 50 % des Wertes des ursprünglichen Auftrags erhöht werden darf. Zudem sind bestimmte wesentliche Auftragsänderungen im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt zu machen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB).