Gerichtsentscheidungen

Bieterfragen und Antworten müssen an alle Bieter gehen (VK Bund, 10.03.2020, VK 2 – 9/20)

Hat ein Bieter Fragen zum Verständnis der Vergabeunterlagen, muss der öffentliche Auftraggeber sowohl die Fragen als auch seine Antworten allen beteiligten Bietern offenlegen. Tut er dies nicht, ist das ein schwerer Vergaberechtsverstoß, der eine Zurückversetzung des Verfahrens rechtfertigt.

Der Auftraggeber schrieb einen Bauauftrag europaweit im offenen Verfahren aus. Mehrere Bieter hatten Fragen zum Verständnis der Vergabeunterlagen. Der Auftraggeber beantwortete die Fragen jeweils nur gegenüber dem Fragesteller. Dies führte dazu, dass die Bieter die Vergabeunterlagen unterschiedlich verstanden. Der Auftraggeber versetzte das Vergabeverfahren in den Stand vor Versand der Auftragsbekanntmachung zurück, nachdem sich ein Bieter gegen dieses Vorgehen mit einem Nachprüfungsantrag zur Wehr setzte. Gegen diese Zurückversetzung wandte sich nun ein Mitbewerber mit einem weiteren Nachprüfungsantrag – diesmal ohne Erfolg.

Der Auftraggeber durfte das Verfahren zurückversetzen. Dabei durfte er sich nach Ansicht der Vergabekammer auf die Aufhebungsgründe des § 17 EU Abs. 1 VOB/A stützen. Zwar versetzte der Auftraggeber das Verfahren nur zurück. Da die Zurückversetzung bis in den Stand vor Versand der Auftragsbekanntmachung erfolgte, kam diese aber einer Aufhebung des Verfahrens gleich. Denn nur so konnte der Auftraggeber wertungsrelevante Verfahrensfehler beheben. Dann aber bestehen keine Bedenken, die gesetzlichen Aufhebungsgründe entsprechend heranzuziehen, so die Vergabekammer.

Zwar ist denkbar, dass ein Bieter eine sehr spezielle, ersichtlich nur sein Unternehmen betreffende Frage stellt. Allein aus der Beantwortung der Frage könnten Mitbewerber mit ausreichender Marktkenntnis selbst bei abstrakter Formulierung von Frage und Antwort auf die Teilnahme des Fragestellers schließen. Dies stünde in Widerspruch zum Gebot des Geheimwettbewerbs, weshalb in derartigen Fällen eine Beantwortung der Frage nur gegenüber dem Fragesteller in Frage kommt. Das kann aber nur seltene Ausnahmefällen betreffen und wäre besonders zu dokumentieren. Im Zweifel gilt: Alle Fragen und Antworten müssen sämtlichen Teilnehmern des Vergabeverfahrens zur Verfügung gestellt werden.