Gesetzgebung

EU-Leitlinien zur Bekämpfung geheimer Absprachen in öffentlichen Vergabeverfahren

Die EU-Kommission hat eine „Bekanntmachung über Instrumente zur Bekämpfung geheimer Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und über Leitlinien für die Anwendung des entsprechenden Ausschlussgrundes“ im Amtsblatt der Europäischen Union (2021/C 91/01)  veröffentlicht. Mittels der genannten Instrumente will die Kommission die Mitgliedstaaten und ihre Vergabebehörden wirksam bei der Bekämpfung des Problems von Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterstützen.

Für die öffentlichen Auftraggeber wurden Leitlinien zum Umgang mit geheimen Absprachen aufgestellt. Sie enthalten einfache und prägnante Ratschläge, die sich an die Bediensteten einer öffentlichen Auftragsvergabe richten. Dies sind die wesentlichen Leitlinien:

Nach Art. 57 Abs. 4 lit. d der Richtlinie 2014/24/EU dürfen Bieter von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn hinreichend plausible Anhaltspunkte für wettbewerbsverzerrende Absprachen oder schwere Verfehlungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit vorliegen. Nach Art. 101 AEUV sind auch abgestimmte Verhaltensweisen, die auf eine Wettbewerbsverzerrung abzielen, als Ausschlussgrund zu werten.

Öffentliche Auftraggeber haben einen weiten Ermessensspielraum bei der Ausschlussentscheidung, sofern im Einzelfall hinreichend plausible Anhaltspunkte für geheime Absprachen vorliegen. Ein Bieter kann jedoch Nachweise über durchgeführte Compliance-Maßnahmen (Selbstreinigung, § 125 GWB) vorlegen, um nachteilige Folgen seines Fehlverhaltens zu beheben.

Begriff des „hinreichend plausiblen Anhaltspunktes“

Die Richtlinie 2014/24/EU macht zu dem Begriff keine näheren Angaben. In diesem Zusammenhang kann der Auftraggeber unter anderem auf folgende Aspekte abstellen:

  • Das allgemeine Marktverhalten der am Verfahren teilnehmenden Bieter, z.B.: Bieter, die nie in demselben Vergabeverfahren zugleich Angebote abgeben
  • Der Text der Angebote, z.B. gleiche Tippfehler oder Formulierungen in unterschiedlichen Angeboten
  • Die im Vergabeverfahren angebotenen Preise, z.B. Bieter, die viel zu hohe oder niedrige Preise anbieten
  • Administrative Details, z.B. Angebote, die vom selben Unternehmensvertreter eingereicht werden

In der Praxis besteht häufig ein Beweisproblem bezüglich geheimer Abreden. Nach Auffassung des Vergabesenats des OLG Düsseldorf (17.01.2018, VII-Verg 39/17) müssen jedenfalls so konkrete und aussagekräftige Anhaltspunkte vorliegen, dass die Verwirklichung eines Verstoßes zwar noch nicht feststeht, jedoch hierüber „nahezu Gewissheit“ besteht.

Teilnahme verbundener Unternehmen an demselben Vergabeverfahren

Geben Bieter, die (konzern-)verbunden sind, getrennte Angebote in demselben Vergabeverfahren ab, hat der öffentliche Auftraggeber den Sachverhalt aufzuklären. Der Auftraggeber sollte den Bietern gestatten, mittels angemessener Belege nachzuweisen, dass die Angebote unabhängig und in Unkenntnis voneinander erstellt wurden und weder die Transparenz gefährden noch den Wettbewerb im Vergabeverfahren verzerren.

Gemeinsame Gebote und Unterauftragsvergabe

Der öffentliche Auftraggeber hat einen Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob ein gemeinsames Angebot mehrerer Marktteilnehmer Risiken für den ordnungsgemäßen Ablauf des Vergabeverfahrens birgt. Dabei muss er zwischen der Vermeidung von Wettbewerbsrisiken und dem Recht der Bieter, sich zur Angebotsabgabe zusammenzuschließen abwägen. Hier muss in jedem Einzelfall beurteilt werden, ob ein Risiko zur Absprache besteht.

Die VK Bund (23.1.2015, VK 1-122/14) hat bei der gemeinsamen Abgabe eines Angebots mehrerer, derselben Muttergesellschaft angehörender Unternehmen grundsätzlich keine Bedenken, da das Kartellverbot des § 1 GWB hier schon nicht greife.

Bei der Vergabe von Unteraufträgen soll der Auftraggeber ähnlich vorgehen und den Bietern bei Verdachtsfällen die Möglichkeit zum Beweis des Gegenteils einräumen.

Selbstreinigungsmaßnahmen

Der öffentliche Auftraggeber sollte klar und deutlich darlegen, welche Unterlagen im Vergabeverfahren gefordert sind. Nur so kann ein Bieter wissen, ob Informationen über Verbindungen oder Vereinbarungen mit anderen Bietern oder etwaige durchgeführte Selbstreinigungsmaßnahmen eingereicht werden müssen. Bieter sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Zuverlässigkeit mittels Selbstreinigungsmaßnahmen nachzuweisen. Der Auftraggeber hat die von dem betroffenen Bieter vorgetragenen Argumente angemessen zu bewerten und zu prüfen.

Unterrichtung bzw. Hinzuziehung der Wettbewerbsbehörde oder anderer Behörden

Schließlich empfiehlt die EU-Kommission, dass öffentliche Auftraggeber jede verfügbare Unterstützung beanspruchen, sobald sie ein verdächtiges Angebot identifizieren. Dann sollten sie sich mit den zuständigen Ermittlungsbehörden in Verbindung setzen. Der Kontakt zwischen dem Auftraggeber und der anderen Behörde sollte bis zu der Aufforderung des Bieters zur Klarstellung strikt vertraulich behandelt werden. Ansonsten könnte der Bieter Beweise für die Absprachen vorab widerrechtlich beseitigen.