Gesetzgebung

Das Vergaberecht und der neue Koalitionsvertrag

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Der am 24.11.2021 veröffentlichte und 177 Seiten lange Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP steht unter der großen Überschrift „Mehr Fortschrift wagen“. Gilt das auch für das Vergaberecht?

Die Kernaussage: Ziel ist die Vereinfachung, Professionalisierung, Digitalisierung und Beschleunigung von Vergabeverfahren. „Die Bundesregierung wird die öffentliche Beschaffung und Vergabe wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen.“

Konkrete vergaberechtliche Aspekte im Koalitionsvertrag:

  • Nachhaltigkeit in der Digitalisierung der Auftragsvergabe: „Für IT-Beschaffungen des Bundes werden Zertifizierungen wie z. B. der Blaue Engel Standard.“
  • Nachhaltigkeit durch Mindestquoten: „Wir schaffen sichere Absatzmärkte für klimafreundliche Produkte durch Mindestquoten in der öffentlichen Beschaffung.“ Wir werden „Quoten für grünen Wasserstoff in der öffentlichen Beschaffung einführen, um Leitmärkte zu schaffen.“
  • Schaffung einer zentralen Plattform, über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind und die eine Präqualifizierung der Unternehmen ermöglicht
  • Aufbau eines Systems zur Berechnung von Klima- und Umweltkosten
  • Stärkung des Mittelstandes, insbesondere Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Förderung der Beteiligungsmöglichkeiten von kleineren und mittleren Betrieben an Vergabeverfahren und Berücksichtigung von mittelständischen Interessen bei der Auftragsvergabe
  • Stärkung der Tariftreue und Tarifbindung in Vergabeverfahren: „Zur Stärkung der Tarifbindung wird die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines repräsentativen Tarifvertrages der jeweiligen Branche gebunden, wobei die Vergabe auf einer einfachen, unbürokratischen Erklärung beruht.“

Aus verteidigungsspezifischer Perspektive sind insbesondere die Ausführungen im Kapitel „Maritime Wirtschaft“ (S. 28) sowie „Verteidigung und Bundeswehr“ (S. 148 ff.) von großer Relevanz.

 

Marine und Maritime Wirtschaft: Beschleunigung von Vergabeverfahren

Die Koalitionäre streben – neben der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft durch Innovationen und Technologieführerschaft – auch die Beschleunigung von Vergabeverfahren in weitreichenden Teilen der Werftenindustrie an. So heißt es:

„Vergabeverfahren werden wir beschleunigen unter der konsequenten Einstufung des Marine-Unter- und Überwasserschiffbaus sowie des Behörden- und Forschungsschiffbaus als Schlüsseltechnologien inklusive der Instandhaltung“

Verteidigung und Bundeswehr: Modernisierung des Beschaffungswesens

„Die Strukturen der Bundeswehr müssen effektiver und effizienter gestaltet werden“, weshalb die Koalitionäre Modernisierungs- und Digitalisierungsprozesse anstreben. Mit Blick auf das Beschaffungswesen legen sie fest, dass der Digitalisierung, Führungsfähigkeit und der Interoperabilität besondere Bedeutung zukommen und heben spezifisch folgende Aspekte hervor:

  • Stärkung der rüstungstechnischen Zusammenarbeit in Europa: „insbesondere mit hochwertigen Kooperationsprojekten, berücksichtigen dabei die nationalen Schlüsseltechnologien und ermöglichen kleinen und mittelständischen Unternehmen auch am Wettbewerb teilzunehmen.“
  • Priorisierung von Ersatzbeschaffungen und markverfügbaren Systemen, um Fähigkeitslücken zu vermeiden
  • Beschaffung Nachfolgesystem für Kampfflugzeug Tornado: „Beschaffungs- und Zertifizierungsprozess mit Blick auf die nukleare Teilhabe Deutschlands werden wir sachlich und gewissenhaft begleiten.“
  • Bewaffnung von Drohnen: „Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir … die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr … ermöglichen.“