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Der Marineschiffbau wird zur Schlüsseltechnologie – stimmt das?

„Den Überwasserschiffbau werden wir als Schlüsseltechnologie Deutschlands einstufen“ heißt es im neuen Koalitionsvertrag. Zugleich soll bei der Beschaffung verteidigungsindustrieller Schlüsseltechnologien vermehrt auf Vergabeverfahren verzichtet werden. Schon wurden Rufe nach einer Beendigung des europaweiten Vergabeverfahrens für das Kampfschiff MKS180 laut. Nur: Wird der Marineschiffbau wirklich zur verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologie?

Der neue Koalitionsvertrag sieht vor, dass VS-Aufträge über die Beschaffung von Schlüsseltechnologien vermehrt ohne Vergabeverfahren erteilt werden sollen (Siehe: Koalitionsvertrag: Mehr VS-Aufträge – weniger Vergabeverfahren?). Welche Produkte unter die verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien fallen, ergibt sich aus dem Strategiepapier zur Stärkung der Verteidigungsindustrie der Bundesregierung vom 08.07.2015. Bislang gehören die Überwassereinheiten nicht hierzu. Im Zuge der vorgesehenen Überprüfung des Strategiepapiers könnten sie aber zu Schlüsseltechnologien erklärt werden.

Kein eindeutiges Bekenntnis im Koalitionsvertrag

Dem Koalitionsvertrag kann die Aufnahme der Überwassereinheiten der Marine in den Kreis der sicherheitsrelevanten Schlüsseltechnologien aber nicht ohne Weiteres entnommen werden:

Zum einen verwendet der Koalitionsvertrag den Begriff der Schlüsseltechnologien in unterschiedlichen Zusammenhängen. In der vorangestellten Zusammenfassung des Vertrages bekennen sich die Koalitionäre beispielsweise zur „Unterstützung von Schlüsseltechnologien, insbesondere Luft- und Raumfahrt, Maritime Wirtschaft, Mikroelektronik, Batteriezellfertigung, Leichtbau, neue Werkstoffe.“ Das Strategiepapier der Bundesregierung verwendet allerdings durchgehend den Begriff „verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologie“. Wird etwas zur Schlüsseltechnologie, bedeutet das also nicht, dass es sich immer auch um eine verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologie im Sinne des Strategiepapiers der Bundesregierung handelt.

Zum anderen findet sich der Hinweis auf die Einstufung des Überwasserschiffbaus als Schlüsseltechnologie in Kapitel VI. des Koalitionsvertrages, dort in einem Absatz über die „Maritime Wirtschaft“, der vorwiegend auf die zivile Schifffahrt abstellt. Der nächste Absatz sieht zwar eine Weiterentwicklung des Strategiepapiers der Bundesregierung vor, allerdings nur „vor dem Hintergrund europäischer Initiativen in dem Bereich“. Ein klares Bekenntnis zur Einstufung des Überwasserschiffbaus als verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologie fehlt.

Schließlich äußerte sich das BMVg auf entsprechende Anfragen ähnlich unverbindlich. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMVg Silberhorn antwortete auf eine Anfrage in der 25. Sitzung des Bundestags am 18.04.2018, wann mit einer Einordnung des Überwasserschiffbaus als verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologie zu rechnen sei:

„Der Koalitionsvertrag trifft in der Tat eine Aussage darüber, den Überwasserschiffbau als Schlüsseltechnologie zu qualifizieren. Was das dann im Detail für die einzelnen Ressorts heißt, also keineswegs nur für das Bundesministerium der Verteidigung, sondern auch für andere, muss nun im Kreise der Koalition näher spezifiziert werden. Dieser Diskussion stellen wir uns mit aller Ernsthaftigkeit und Aufgeschlossenheit.“

Auf eine ähnliche Anfrage in der 28. Sitzung des Bundestags am 25.04.2018 antwortete er zudem unter Verweis auf das Strategiepapier aus dem Jahr 2015:

„Der Bereich des Überwasserschiffbaus wurde damals nicht als nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologie festgelegt. Das Strategiepapier wird allerdings regelmäßig überprüft und bei Bedarf fortgeschrieben. Bei dieser Überarbeitung werden unter anderem die Inhalte des Koalitionsvertrags angemessen berücksichtigt.“

Fazit

Ein klares Bekenntnis sieht anders aus. Bei entsprechendem politischen Willen könnte die Liste der Schlüsseltechnologien – Koalitionsvertrag hin oder her – jederzeit angepasst werden. Die Feststellung, dass Überwasserkampfschiffe schon jetzt als VS-Schlüsseltechnologie einzustufen sind, lässt sich dem Koalitionsvertrag aber nicht entnehmen.

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